Kann Kommunikation uns resilienter machen


Kann Kommunikation uns resilienter machen



Resilienz ist definiert als ein Prozess, in dem Menschen auf Herausforderungen oder Veränderungen mit Anpassung ihres Verhaltens reagieren. Doch wie passe ich mich an, wenn ich durch die Herausforderungen an meine Grenzen stoße und nicht weiß, wie ich damit umgehen soll?

Diese Frage hat mich bei mir forschen lassen:


Durch die Verringerung der Impulse und viel weniger Ablenkungsmöglichkeiten von außen hatte ich Zeit und Raum bei mir selbst zu bemerken, wie essentiell es für mich ist, in tiefem Kontakt mit einem anderen Menschen zu sein. Das lässt mich lebendig, genährt und zufrieden sein, selbst, wenn es nur eine kurze Zeitspanne ist. Auch ist dieses Gefühl des Genährtseins nahezu unabhängig davon, ob dieser Kontakt mit einem mir vertrauten oder einem (noch) unbekannten Menschen stattfindet.


In einem Rundbrief von Richard Stiegler (Bewusstseinsschule Seele und Sein) las ich, dass Neurologen nachgewiesen haben, dass die Motivationssysteme im Gehirn am stärksten anspringen, wenn die Aussicht auf Nähe mit anderen Menschen besteht. Es ist also nicht die Menge an Kontakten, die uns unterstützt, sondern die Qualität des Kontakts mit einem oder auch mehreren anderen Menschen.


Zur Bewusstmachung dieser Qualität gibt es Fragen (ebenfalls aus obigem Rundbrief), die wir uns immer wieder im Kontakt stellen können:

Fühle ich mich im Austausch wirklich verstanden und angenommen?

Hat mein Gegenüber ein Interesse für das, was mich bewegt, und kann es sich in meine Innenwelt einfühlen?

Entsteht im Zusammensein eine fühlbare Nähe?


Wenn wir diese Fragen bejahen können, fühlen wir uns im Kontakt wahrhaftig „gesehen“, wir können in uns selbst ankommen. Körperlich wird dabei das Ruhesystem (Parasympathikus) im Organismus aktiv und es werden Hormone ausgeschüttet, die bewirken, dass wir uns entspannen und ganzheitlich regenerieren können.


Diese Art der Kommunikation finden wir häufig in Gruppen, die sich mit Bewusstheit beschäftigen - ein Gefühl von tiefer Verbundenheit kann dort selbst zwischen unbekannten Menschen entstehen.


Wie können wir diese Verbundenheit, die uns stärkt und auch in unsicheren Lebensumständen tragen kann, mehr in unser Leben holen?

Unsere Alltagskommunikation ist häufig nicht bewusst und wenig fokussiert auf das innere Erleben. Wie oft sind wir, während unser Gegenüber sich mitteilt, schon mit unserer Antwort, unseren eigenen Prozessen oder sogar mit dem beschäftigt, was wir nach diesem Kontakt noch vorhaben.


Wenn wir jedoch bereit sind, unsere Aufmerksamkeit auf unser Gegenüber zu richten, ihm unsere Präsenz zu schenken, verändert sich etwas. Ein Feld entsteht, in dem sich der Mensch, der sich mitteilt, gesehen und genährt fühlt. Auch der präsent Zuhörende, so meine eigene Erfahrung, kann sich durch die Ausrichtung auf sein Gegenüber, besser spüren und in sich ankommen.


Wenn noch dazu klar definiert ist, wie lange jeweils über das innere Erleben geprochen bzw. präsent zugehört wird, kann sich dieses Feld weiter verdichten und ausbreiten.

Ein zweites Element, das wir in unserer Alltagskommunikation selten beachten, ist die Art der Mitteilung: wenn wir nur reden und erzählen, ohne uns tiefer zu zeigen, ohne von unserer Seelenebene aus zu sprechen, dann fehlt dem Austausch etwas Wesentliches, wir fühlen uns nicht gestärkt und unverbunden. Wir können lernen, wahrhaftig mitzuteilen, was uns bewegt, was unsere Inspiration und auch was unsere Herausforderung ist. Es erfordert ein wenig Mut, etwas Übung, doch wann, wenn nicht jetzt!


Die Erfahrung, dass auch am Bildschirm diese Form des heilsamen Kontakts möglich ist, durfte ich machen, als eine Fortbildung von Präsenz auf Online umgestellt wurde und ich trotz Widerständen teilgenommen habe: es ist möglich, gesehen und gefühlt und dadurch genährt zu werden, selbst wenn mein Gegenüber körperlich nicht im gleichen Raum ist wie ich.


Diese Art der Kommunikation können wir sogar ohne ein Gegenüber praktizieren. Indem wir uns einen bestimmten Zeitrahmen geben, in dem wir uns selbst präsent zuhören, uns an unser Inneres anbinden und dem gegenwärtigen Erleben in unserem Körper und unserer Seele lauschen. Am besten regelmäßig und am allerbesten jetzt gleich ausprobieren.


So können wir uns selbst und anderen Menschen Unterstützung geben, resilienter werden, alleine durch präsentes Zuhören und Mitteilen des gegenwärtigen Erlebens, egal ob körperlich im gleichen Raum oder über eine Onlineverbindung. Lasst uns anfangen, das zu nutzen.



Patricia Oefelein

Heilpraktikerin für Psychotherapie

Schoßraum®-Prozessbegleitung


(Veröffentlichung Ginkgo 03/04 2021)